Die Sache mit dem E-Rezept

Seit 1. Januar gilt in Deutschen Arztpraxen das E-Rezept. Super Sache - möchte man meinen.

Auch ich war anfangs wirklich begeistert. Das Ausstellen des Rezeptes geht schnell und unkompliziert von der Hand. Die Patienten sind glücklich. Klar, man trifft schon gelegentlich auf fragenden Gesichter, wenn man erklärt, man verschreibe jetzt dieses oder jenes Medikament, bitte nehmen Sie es dreimal täglich ein. Auf Wiederssehen
”Aber Herr Doktor, haben Sie nicht etwas vergessen?”

Nö, habe ich nicht. Das Rezept liegt nämlich schon in der Apotheke. Ist ganz einfach. Sie müssen nur mit Ihrer Versichertenkarte in eine Apotheke Ihrer Wahl gehen und man gibt Ihnen das Medikament. Keine nervigen Zettel mehr die man verlieren kann. Klingt in der Theorie echt gut. Ist es auch, mit einem großen ABER.

Für 95% der Patienten funktioniert das Prinzip perfekt. Die Menschen sind erstmal etwas irritiert, weil sich hier etwas ändert und dann werden Dinge auch noch digital - in Deutschland. Man möchte es nicht so richtig glauben. Nach dem ersten Schock überwiegt dann aber das Wohlwollen und so wird es in ein paar Monaten (oder Jahren) ganz normal sein, dass der Arzt sagt, er habe etwas verschrieben und der Patient nicht auf das Rezept wartet. Geht jetzt halt ohne.

Also wo ist das Problem?
Anfangs habe ich selbst auch keines gesehen. Alles schien so perfekt, so digital. Aber erklären Sie das mal einem 80-Jährigen. Klar kann man die nicht alle über einen Kamm scheren. Ich habe gestern gelernt, dass es sowas wie Altersdiskriminierung gibt. Es ist also heute gar nicht mehr zulässig die unweigerlichen Problemchen zu thematisieren, die mit dem Alter kommen - ich tu’s trotzdem. Eines der Schwierigkeiten ist, dass die Erinnerungs- und Denkfähigkeit meist etwas nachlässt. Man vergisst halt viele Dinge. Ist ja auch nicht wirklich schlimm. Wir reden hier nämlich nicht von Demenz, sondern einfach von der ganz normalen Vergesslichkeit im Alter. Nicht schön, aber eben auch nicht hochgradig problematisch. In diesen Fällen ist so ein Rezept, das mich daran erinnert, dass der Arzt ja gesagt hat, ich solle ein bestimmtes Medikament einnehmen schon eine feine Sache. Und kommen Sie mir jetzt bitte nicht mit dem QR-Code, den man ja alternativ ausdrucken kann. Mit QR-Codes können die älteren Menschen ungefähr so viel anfangen wie ich mit dem Sommerfest der Volksmusik.

Wir können also nach ungefähr einem Monate E-Rezept attestieren: Grundsätzlich eine feine Sache, leider mit ein paar Abstrichen. An den erinnerungsfördernden Effekt eines haptischen Rezeptes hat nämlich niemand gedacht. Es überfordert viele ältere Menschen schlicht sich zu merken, dass der Arzt nun zwei neue Medikamente zum existierenden Plan, der oft einen gewissen Umfang hat, hinzugefügt hat - und wie soll man die doch gleich nehmen?

Es bleibt also zu befürchten, dass die Adherenz der Patienten an den empfohlenen Plan nicht gerade zunehmen wird. Schade eigentlich…

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Gedankenloses Rumgeschmiere