Gedankenloses Rumgeschmiere
Gestern Abend rief mich eine Mitarbeiterin an. Die Kollegin behandelte gerade die letzten Patienten des Tages und wollte meinen Rat zu einem speziellen Fall hören.
Ein mittelalter Patient war eines morgens mit furchtbaren Schmerzen im Ellenbogen aufgewacht. Er konnte das Gelenk kaum noch Bewegen und wenn man außen darauf herumdrückte schrie er auf vor Schmerzen. Grundsätzlich mal nicht gut.
Der Patient dachte, na ja, gehe ich doch mal zum Orthopäden, der wird schon wissen, was zu tun ist. Denkste. Der Kollege diagnostizierte brav eine Insertionstendinitis, also eine Tennisellenbogen und empfahl hochprofessionell die regelmäßige Behandlung mit einem Diclofenac-haltigem Gel. Und Tschüss - nächster Patient bitte.
Und jetzt die Mega-Überraschung: Es hat nichts geholfen. Der Patient entschied, dass er es möglicherweise mal bei einem anderen Arzt probieren sollte und kam in unsere Praxis. Meine Kollegin und ich beschlossen eine echte Therapie durchzuführen. Studien zeigen nämlich eindeutig, dass das Einschmieren schmerzender Körperbereiche mit einem Diclofenac-hatigem Gel genau drei Wirkungen hat:
1. Es irritiert die Haut.
2. Es kühlt (allerdings nur sehr kurz).
3. Es löst einen Placebo-Effekt aus.
Damit ist die Wirkung also vergleichbar mit meiner Lieblingsbehandlungsmethode: Der Homöopathie. (Das mit der Lieblingsbehandlung war Sarkasmus, für alle, die das nicht gleich verstanden haben.)
Die richtige Behandlung bei dem Patienten war eine Therapie mit entzündungshemmenden Medikamenten und die Ruhigstellung des Gelenks. Aber warum wirkt das Wundergel denn nun nicht? Die Werbung sagt doch es wäre super! Eigentlich ist das ganz einfach. Im Gel selbst ist Diclofenac. Ein Stoff, der durchaus eine pharmakologische und spezieller, eine entzündungshemmende Wirkung hat. Der kleine Hacken dabei: Das Zeug geht halt nicht durch die Haut durch. Und das ist auch gut so, denn die Haut soll uns ja genau vor sowas schützen und bildet eine dicke Barriere, durch die kaum etwas durchkommt. Stellen Sie sich mal vor, die Haut wäre etwas durchlässiger. Jedes Mal nach dem Baden sähen wir aus, wie ein Michelinmännchen. Es gibt nur ganz wenige Medikamente, darunter ein paar Hormonpräparate, die wirklich über die Haut aufgenommen werden können. Und bei denen muss man sehr vorsichtig sein, denn eine Überdosierung ist da natürlich eine reale Gefahr. Warum diese abgefahrenen Gel-Verbände zum Teil sogar noch in Universitätskliniken angewandt werden ist mir ein echtes Rätsel, zeigt aber, dass wir von guter, evidenzbasierten Medizin noch deutlich weiter entfernt sind, als man gemeinhin denkt.
Am Ende fällt mir da noch der alte Orthopädenwitz ein: An den vier Ecken eines Fussballfeldes stehen vier Ärzte: Ein Radiologe, ein Chirurg, ein guter und ein schlechter Orthopäde. Auf dem Anstoßpunkt steht ein Topf mit 10.000 Euro. Derjenige, den den Topf zuerst erreicht gewinnt das Geld. Wer ist es?
Ganz einfach: Der schlechte Orthopäde. Warum?
Der Chirurg hat die Regeln nicht verstanden, der Radiologe bewegt sich wegen einer so lächerlichen Summe nicht und einen guten Orthopäden gibt es nicht.
Übrigens: Forscher haben herausgefunden, dass weibliche Borstenwürmer zu männlichen werden, wenn man ihnen das Gehirn entfernt. Kein Witz. Vielleicht werden dann Internisten auch zu Orthopäden, wenn man, ach lassen wir das…
Schönes Wochenende.