Ich bin wieder da… Im Gegensatz zu einem anderen.
Vermutlich dachten die meisten von Euch, ich hätte das Thema Bloggen wieder ad acta gelegt. Ich kann euch beruhigen - habe ich nicht. Allerdings waren die letzten Wochen so voller Stress und Arbeit, dass ich einfach nicht dazugekommen bin etwas Sinnvolles zu schreiben. Dabei sind lauter Dinge passiert, die es Wert sind, ja absolut Wert sind erwähnt zu werden.
Wo soll ich also anfangen? Möglicherweise bei der missbrauchten Rentnerin im Altenheim? Oder bei der Sache mit den besseren Bedingungen für Arztpraxen? Auch das Thema Schilddrüse steht definitiv noch auf der Agenda. Und dann wäre da noch der Typ, der fünf, ja wirklich, fünf Tage ohne Essen und Trinken in der Wohnung lag, bis er, der Rücken und die Beine bis zum Knochen wundgelegen, doch noch gefunden wurde.
All das könnte ich euch erzählen. Trotzdem beginne ich bei einem absolut schockierenden Erlebnis. Am letzten Wochenende war ich mal wieder im ärztlichen Bereitschaftsdienst unterwegs - es hat ja jeder so seine Hobbys. Man fährt zu Patienten, die der Meinung sind ihre medizinische Problematik müsse jetzt sofort geklärt werden, was meist nicht der Fall ist. Aber weil wir in Deutschland leben, einem Land in dem jeder der Ansicht ist er habe Anspruch auf alles werden wir nicht selten von entnervten Patienten empfangen, die es empörend finden, dass sie ewig in der Warteschleife der Hotline 116117 warten mussten, bis sich einer der völlig überarbeiteten Mitarbeiter endlich ihrem akuten Gichtanfall, hervorgerufen durch unverhältnismäßig viel Alkohol, Grillfleisch oder im besten Fall beides, annimmt.
Ein freundliches Wissen Sie eigentlich wie lange ich hier schon warte! wird dann unsererseits von einem ebenso freundlichen, wie verlogenem Das tut mir aber leid. quittiert, auf das die sofortige Aufforderung nach Herausgabe der Versichertenkarte folgt. Denn ohne die geht mal gar nichts.
Na jedenfalls war ich hier im schönen Erlangen am Start. Zur Region Erlangen gehört im Notdienst auch die Nachbarstadt Fürth. Da so ein zehnstündiger Dienst für beide Städte allein nicht zu schaffen ist fahren immer mehrere Ärzte gleichzeitig. Am Wochenende abends, sprich von 15:00 bis 23:00 sind wir dann zu zweit. Üblicherweise fahren der Kollege Dr. Schmudderer, kurz Schmuddi, und ich parallel. Das hat sich in den letzten Jahren so eingespielt. Auch letze Woche war das so. Allerdings fand am Samstag Abend ein nicht ganz irrelevantes Fussballspiel statt, das ich keinesfalls verpassen wollte. Anstoß der Partie Real gegen Dortmund war 21:00 - der Dienst ging bis 23:00. Doof.
Aber zum Glück gibt es da ja Schmuddi. Der Kollege fährt seit sage und schreibe vierzig Jahren Notdienste und ist eine Legende bei uns in der Gegend. Es gibt kein Altenheim, keinen chronisch kranken Dauerkunden, keinen Kollegen im Umkreis von vielen Duzenden Kilometern, der Schmuddi nicht kennt. Und das Allerbeste: Der gute alte Schmudderer interessiert sich einen feuchten Dreck für die Champions-League. Optimale Voraussetzungen also, zwei Stündchen eher unterzutauchen (natürlich nach Rücksprache) und mich vor das Spiel des Jahres zu setzen. Neunzig Minuten später wusste ich, dass ich es mir auch hätte sparen können und ging frustriert ins Bett. Just um diese Zeit muss Schmuddi wohl mit seinem letzten Patienten fertig gewesen sein. Schmuddi ist ein Nachtmensch. Nachdem ihn sein Fahrer zu Hause abgesetzt hat fängt er üblicherweise erstmal das Kochen an.
Ich hingegen beschloss das verlorene Finale zu ignorieren und, nach ein paar Gläsern Wein zu viel ins Bett zu kriechen. Schließlich hatte ich am nächsten Tag wieder Notdienst und wollte diesen fit und ausgeschlafen antreten.
Was auch nötig war.
Denn der Dienst begann mit einem völlig skurrilen, wenn nicht spektakulären Einsatz. Was genau passierte erzähle ich in einem anderen Blog, aber ich sag nur so viel: Krimi im Altenheim. Sowas habe ich noch nicht erlebt.
Nachdem der erste Einsatz also sage und schreibe 3 Stunden dauerte machte ich mich ans Abarbeiten der aufgelaufenen Einsätze. Der Abend würde nicht unbedingt früh enden. Und dann kam der Anruf.
Eine Mitarbeiterin unserer Leitstelle fragte ob ich es schon gehört hätte?
Was?
Schmuddi ist gestorben.
Ich war wie gelähmt. Das konnte ja wohl nicht war sein. Schließlich hatte der Kollege gestern noch Patienten für mich übernommen. Aber leider sind solche Sachen meist wahr und die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Zum Kochen war Schmuddi nicht mehr gekommen. Er beendete seinen Dienst und fiel um. Er ist so gestorben, wie er gelebt hat. Im Dienst.
Wir haben früher oft gescherzt, dass Schmuddi, der ja schon lange das Rentenalter erreicht hatte, wohl arbeiten würde, bis er tot umfällt. Und genau so war es am Ende.
Machs gut Schmuddi!