Schilddrüse - Unverstanden und missbraucht! Und: Neues vom Aggro-Richter!
Nachdem ich im letzten Blog mal ordentlich politisch geworden bin und mir in den Kommentaren dann postwendend auch ein kleines, blaues Auge geholt habe besinne ich mich jetzt mal wieder auf mein Kerngeschäft - die Medizin. Selbstredend greife ich hier ein nicht weniger kontroverses Thema auf. Denn keine andere Sau wird so häufig durch‘s Dorf getrieben, kein anderer Esel wird so oft vor den Karren gespannt als die arme, kleine Schilddrüse. So, Schluss mit schlechten landwirtschaftlichen Vergleichen, kommen wir direkt ans Eingemachte! Und weil das Thema so komplex ist und keine Sau einen Blog liest, der sich über fünf Seiten erstreckt, werde ich das Thema über ein paar Tage hinziehen. Das ist für Blogger auch immer dann gut, wenn ihnen sonst nichts einfällt - was selbstverständlich auf mich nicht zutrifft.
Was ist nun also das Problem mit der Schilddrüse? Irgendwie kennt doch jeder jemanden, der Schilddrüsenhormone nehmen muss und von diesem komischen Hashimoto Dings bleibt doch auch keiner verschont. Und dann die vielen „Heile-Dich-Selbst“ Bücher, die mit schnittigen Titeln suggerieren, wir hätten auch nur den geringsten Einfluss auf die Funktion des kleinen Gewebefetzens im Hals. Spoiler: Haben wir nicht! Obwohl - wir können die Situation schlimmer machen - schlimmer geht immer!
Fassen wir doch mal zusammen welche Probleme es im Alltag mit den Missverständnissen rund um das Schmetterlingsorgan gibt:
Die Drüse wird für jedes, noch so abwegige Symptom herangezogen und bekommt für alles immer die Schuld. Armes Miniorgan! Dabei besteht aber die sehr reale Gefahr, dass echte Erkrankungen, die bestimmte Beschwerden verursachen können übersehen werden und man nur all zu leicht einen vermeintlich Schuldigen findet.
Das Unvermögen ist unendlich. Viele Menschen müssen jeden morgen fleißig Hormone in sich rein futtern, obwohl sie die überhaupt nicht brauchen. Das wiederum hat zwei Hauptgründe. Zum einen ein beängstigend schlechtes Wissen vieler Kollegen. Die Schilddrüse wird stiefmütterlich betrachtet - echtes Wissen darüber ist mehr als rar. Zum anderen - und das ist echt skandalös:
Der Schilddrüsenpatient ist ein sehr dankbarer. Der ist nämlich eigentlich gesund und kommt brav einmal im Quartal in die Praxis gedackelt um sich seine Medikamente zu holen. Leichter kannste einfach kein Geld verdienen.
Und dann sind da natürlich auch noch die ganzen Schwurbel-Spinner, die ihren Nahrungsergänzungsmist als Medizin vermarkten und sich am Unwissen und der Unsicherheit der Patienten (die oft gar keine sind) bereichern wollen. Krude Tipps, wie die Einnahme von Jod oder Selen sind da noch die umgänglichsten (wenn auch nicht minder gefährlich, weil das Zeug für echte Schilddrüsenpatienten nämlich eine Gefahr darstellt).
Aus all diesen Gründen werden und müssen wir uns in den nächsten Tagen und Wochen ausführlich mit der Schilddrüse befassen, denn das Thema betrifft wirklich die meisten Menschen, die jemals einen Arzt aufgesucht haben.
Zum Schluss nochmal ein Update zu meinen Lieblingsrichter. Bei dem musste ich nämlich heute mal wieder antanzen, um zum hundertsten Mal eine Situation zu erklären, die keine zwei Minuten gedauert hat. Vermutlich aufgrund zerebraler Insuffizienz schien es dem Typen aber einfach nicht möglich einfache deutsche Sätze zu verstehen. Am Ende musste selbst der Staatsanwalt lachen. Als mir nämlich Alexander Hold (Name von der Redaktion geändert) die Frage stellte, ob ich denn geprüft hatte, ob der Patient tatsächlich unter Durchfall litt blieben selbst mir die Worte aus. Aber der große Meister wollte es wissen und ich musste in den letzten Wochen lernen, dass es niemanden gibt, der über einem Richter steht - auch nicht Gott.
Selbstverständlich hatte ich das nicht getan, verbalisierte ich das Offensichtliche. „Ich habe Sie nicht gefragt, ob Sie das prüfen wollten, sondern ob Sie es hätten prüfen können!“ Fragende Gesichter im ganzen Raum. Hätte mir der Patient auf den Schreibtisch sch…. Sollen? Na ja, ich erklärte dem Aggro-Typen dann, dass ich aus Aspekten der Arbeitssicherheit und des Datenschutzes leider nicht dazu in der Lage gewesen war zu prüfen, ob wirklich Durchfall vorlag - dummes, fragendes Gesicht und die Frage, was das mit dem Durchfall des Patienten zu tun hatte, dann klärte ich auf: Unsere Toilette ist leider sehr klein, da hätte ich mich also entweder hinstellen und die Tür auflassen können, während ich dem armen Mann beim Kacken zuschaute - geht nicht wegen Datenschutz. Die Alternative wäre gewesen, dass ich mich mit in die Kabine dränge - geht nicht, wegen Arbeitssicherheit.
Einen blöden Gesichtsausdruck später stand ich wieder auf der Strasse vor dem Gericht. Ich gehe davon aus, dass der Typ mich nun endlich in Frieden lässt!